Schalke – Bayern „nur“ 0:1: Pointierte Banner, gute Leistung von Schubert und Raus mit viel Applaus

Schalke – Bayern „nur“ 0:1: Pointierte Banner, gute Leistung von Schubert und Raus mit viel Applaus

4. März 2020 1 Von Susanne Hein-Reipen

Der FC Schalke 04 zeigt im DFB-Pokal-Viertelfinale eine kämpferisch und läuferisch stark verbesserte Leistung, doch Bayern München hat am Ende dank eines Treffers von Kimmich knapp mit 0:1 die Nase vorne. Beim S 04 überzeugen insbesondere Markus Schubert und Jean-Clair Todibo; trotz zahlreicher kritischer Banner verläuft das Spiel störungsfrei und am Ende gibt es viel Applaus für die königsblauen Kämpfer. Susanne Hein-Reipen berichtet.

Aus Sicht der aus Richtung Westen anreisenden Schalker türmt sich genau am Himmel über Gelsenkirchen eine riesige tiefdunkle Wolkenwand – ein böses Omen? Schließlich gibt es nicht Wenige, die aufgrund der zuletzt gezeigten Formkurven der beiden Mannschaften eine zweistellige Niederlage vorausunken. Doch Totgesagte leben bekanntlich oft länger…

Öfter mal etwas Neues…

Die Kampfschwein-Aufstellung

David Wagner schafft es einmal mehr, Fans und Experten mit seiner Aufstellung zu verblüffen: Der von vielen herbeigesehnte Wechsel von Bald-Bayer Alexander Nübel zu Markus Schubert war zwar bereits im Laufe des Tages durchgesickert, aber damit, dass der Schalker Chefcoach trotz der Ausfälle von Stambouli, Sané, Kabak, Caligiuri und Serdar auch noch freiwillig Amine Harit und Benito Raman auf die Bank setzt, hatte keiner gerechnet. Schubert, Becker, Todibo, Nastasic, Kenny, Oczipka, McKennie, Schöpf, Matondo, Boujellab und Burgstaller lautet die Startformation – und bei genauem Hinsehen ist das gar keine üble Idee, denn Harit, in der Vorrunde noch in überragender Form, bekam in den letzten Spielen wenig auf die Kette. In einem Pokalspiel gibt es ohnehin keine Schönheitspreise, Kämpfen ist angesagt und Guido Burgstaller schaut bereits beim Aufwärmen so entschlossen, als hätte er zum Frühstück drei rohe Bayern auf Toast verspeist. Mit 62.271 Zuschauern herrscht „volles Haus“.

Die Stadionregie schickt „Wunder gibt es immer wieder“ über die Lautsprecher; die Nordkurve wartet unterdessen auf die neue Nummer 1. Markus Schubert bekommt lauten aufmunternden Applaus, Alexander Nübel bleibt am zunächst am Mittelkreis stehen und scheint sich nicht so recht Richtung Kurve zu trauen, die wütenden „Nübel raus“-Rufe nach seinem Patzer in Köln wirken offenbar noch nach.

Kein Banner-Gate auf Schalke

Beherrschendes Thema der Woche war der Umgang mit „Hassplakaten“ in den Fankurven, nachdem es am vergangenen Wochenende in zahlreichen Stadien zu beleidigenden Transparenten insbesondere gegen Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp gekommen war. Mehrere Spiele, darunter die Begegnung Hoffenheim gegen Bayern, wurden nach dem „Dreistufenplan“ des DFB wegen Hurensohn- und Fadenkreuz-Plakaten mehrfach unterbrochen und standen kurz vor dem Abbruch. Hintergrund der Proteste ist der Ausspruch einer dreijährigen Sperre für ALLE BVB-Fans bei Gastspielen in Sinsheim, denn der DFB hatte vor nicht allzu langer Zeit versprochen, auf solche Kollektivstrafen, die neben den Tätern auch zahlreiche vollkommen unschuldige Fans treffen, zu verzichten.

Der Schalker Vorstand hatte die Vorfälle zum Anlass genommen, für den Fall beleidigender Transparente anzukündigen, dass die Mannschaft den Platz verlassen werde – „ungeachtet der Spieldauer, des Resultats und etwaiger Konsequenzen“. Diese Erklärung stieß unter den Fans auf äußerst gemischter Echo, da der königsblaue Anhang zum einen bisher kaum gegen Hopp in Erscheinung getreten ist – und zum anderen ein Spielabbruch wegen „Hurensohn“-Plakaten oder -Gesängen nicht nur Derbies noch vor dem Anpfiff stoppen würde. Überall wird das Thema kräftig diskutiert, wobei die „das muss sich ein verdienter Mann wie Hopp von den Ultras nicht bieten lassen“-Fraktion und die „überzogener Kniefall vor einem empfindlichen Milliardär, bei weitaus schlimmeren Vorfällen wurde nicht eingeschritten“-Vertreter nicht wirklich übereinkommen.

Vor dem Anpfiff ziert lediglich ein kleines „Ihr Heuchler“-Spruchband den I-Block; dazu gibt es kräftige Pfiffe gegen die Ex-Schalker Manuel Neuer und Leon Goretzka. Den lautstarken Austausch „Bayern-Schweine“ gegen „Scheixxe 04“ findet man auch nicht im Knigge, doch keiner heult.

Dementer Fußball Bund…

Pünktlich zum Steigerlied wird die Beleuchtung ausgeschaltet, zu „Blau und Weiß, wie lieb ich Dich“ geht sie wieder an. Die Luft ist spürbar spannungsgeladen, zum Einzug der Mannschaften gibt es kurze Grüße an die Fanfreunde in Enschede und vom FCN, auch, um das „Auf geht’s Bayern, kämpfen und siegen“ der knapp 6.000 Köpfe starken Gästekurve zu übertönen.

Dann ertönt der Anpfiff – und exakt in diesem Moment gehen in Nordkurve und I-Block sehr kritische, aber nicht plump beleidigende Banner hoch, dazu ertönt „Scheixx DFB…“. Die Nordkurve titelt auf drei riesigen blauen Spruchbändern „Dementer Fußball-Bund/Zusage gegen Kollektivstrafen vergessen/ Versucht Ihr nun, uns Fans mit Spielabbruch zu erpressen“, der I-Block ätzt in Anspielung auf Tönnies und Hopp „Antidiskriminierung auf Schalke heißt: 0815-Kampagnen und Milliardäre schützen“. Kurz darauf erscheint dort „Wenn wir jetzt hier ein Hurensohn-Plakat zeigen/hört Ihr jetzt dafür auch auf zu spielen/und wir kommen ins Elfmeterschießen?“

Liebesgrüße an den DFB (Foto: Hein-Reipen)

Der DFB in Gestalt von Schiedsrichter Tobias Stieler ist klug genug, für diese geschickt formulierten Meinungsäußerungen kein Fass aufzumachen und das Spiel nimmt schnell Fahrt auf. Zur großen Freude der Schalkefans tritt ihre Mannschaft kämpferisch und läuferisch klar verbessert auf und steht in der Abwehr sehr gut. Auch die erste Torchance geht an Königsblau, doch der Schlenzer von Schöpf zischt einige Zentimeter am langen Eck vorbei (5.).

Viel besser als befürchtet!

Die angenehme Überraschung, dass Schalke mitnichten wie noch im Ligaspiel in ehrfürchtige Schockstarre vor den großen Bayern verfällt, befeuert die ohne gute Stimmung in der Arena enorm. „Vorwärts FC Schalke, schieß ein Tor für uns!“, „Steht auf, wenn Ihr Schalker seid“ und der Wechselgesang SCHALKE! – NULLVIER! zwischen Nord- und Südkurve klingen wie einst im Mai.  

Nach sehr ausgeglichenen und guten 20 Minuten reißt es die Schalker von den Sitzen: Matondo schießt im Bayern-Strafraum Tolisso an, der Ball prallt weiter zu Burgstaller und Burgi nagelt die Kugel mit viel Wumms in Netz. Jaaaaaaa…aaaah? Nein, die Fahne ist oben, Burgstaller stand im Abseits. Verdammt, das wäre es gewesen – und keinem hätten die Schalker es mehr gegönnt als Burgi, dessen unermüdliche Rackerei in dieser Saison bisher nicht belohnt wurde. Abseits sagt leider auch der VAR; der Nordkurve gefällt das nicht und sie intoniert „Ihr macht uns‘ren Sport kaputt“ und „Wir singen Scheixx FC Bayern“.

Kurz darauf zeigt Schubert gegen einen Distanzschuss von Pavard eine erste Glanzparade und erntet sofort Szenenapplaus, zudem boxt er eine missglückte Kopfballabwehr des ansonsten stark aufspielenden Todibo artistisch über die Latte. Die Bayern erspielen sich zunehmend größere Spielanteile und zahlreiche Ecken, die jedoch nix einbringen – bis zur 40. Minute, als eine weitere Ecke von Burgstaller weggeköpft bei Kimmich landet und er von der Strafraumgrenze aus durch Freund und Feind und die Beine von McKennie hindurch zum 0:1 ins lange Eck trifft.  Schubert war dabei vollkommen die Sicht verstellt. Sch…ade.

Der Treffer „outet“ auch viele Bayern-Fans, die bislang betont unauffällig in den Schalker Dauerkartenblöcken auf der Gegengeraden saßen. Die Begeisterung der dortigen Schalker über diese „rote Pest“ hält sich in Grenzen, doch schnell wird mit „Steht auf“ und „Auf geht’s Schalke schieß‘ ein Tor“ wieder in den Vorwärtsgang geschaltet. Mit 0:1 und viel Applaus geht es in die Kabinen.

Vorstand und Tönnies bekommen ihr Fett weg

Einhelliger Tenor in der Pause: Äußerst achtbare Leistung, vielleicht geht da ja noch etwas. Das Ergebnis des anderen Pokalspiels – der FC Saarbrücken wirft Fortuna Düsseldorf im Elfmeterschießen raus und zieht als erster Viertligist überhaupt ins Halbfinale ein – wird anerkennend zur Kenntnis genommen, schließlich wäre Saarbrücken gegen Schalke ein interessantes Pokalfinale.

Beide Mannschaften kommen personell unverändert aus der Kabine. Neuer muss im zweiten Durchgang in das Tor vor der Nordkurve und wird wie bei jeder Begegnung seit seinem Wechsel 2011 mit einem gellenden Pfeifkonzert und „Manuel Neuer ist ein H*rensohn“ begrüßt, doch anders als Hopp und ebenso wie Timo „die Schwalbe“ Werner und Generationen von Fußballern vor ihnen überhört er die Beleidigungen zumindest äußerlich vollkommen ungerührt.

Mit dem Anpfiff der zweiten 45 Minuten wird auch die zweite Banner-Show eingeleitet – und die hat es in sich:  Der Zweiteiler „DIE MEDIEN SCHREIBEN UND SCHALKE SPRICHT/NACHGEDACHT WIRD WIEDER NICHT! SAUBER VORSTAND!“ geht hart mit dem vorauseilendem Gehorsam des Schalker Vorstands – Jochen Schneider sprach gar von einem „Einstufenplan“, wonach Beleidigungen einen sofortigen Spielabbruch zur Folge haben sollten – gegenüber dem DFB ins Gericht. Noch drastischer wird der I-Block: „WER IM GLASHAUS SITZT, SOLLTE ZUERST MIT CT REDEN“ und „DIE WERTE UNSERES VEREINS HABT IHR MIT TÖNNIES VERRATEN, SPART EUCH EURE STELLUNGNAHMEN, IHR HEUCHLER!“

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