Hohe Verluste und Corona: Wie bedrohlich sind die Finanzen von Schalke 04?

Hohe Verluste und Corona: Wie bedrohlich sind die Finanzen von Schalke 04?

20. März 2020 3 Von Susanne Hein-Reipen

Schalke und das liebe Geld, dieses Thema bereitete den königsblauen Fans schon oft Sorgen. Nach einigen Jahren mit schwarzen Zahlen aufgrund lukrativer Transfers weist die Konzernbilanz 2019 ein dickes Minus aus, dazu kommen zu den Spielausfällen der Corona-Krise sehr ernste Warnungen von Alexander Jobst und Peter Peters. Steuerjuristin Susanne Hein-Reipen erklärt die Lage…

Höchster Fehlbetrag der Vereinsgeschichte

In der Schalker Konzernbilanz 2018 purzelten die Rekorde – höchster Gewinn, höchster Umsatz der Vereinsgeschichte – gleich reihenweise, nur ein Jahr später steht mit 26,1 Mio. Euro der höchste Verlust zu Buche.

Seit 2010 stellt Schalke eine „Konzernbilanz“ auf, Umsatz und Gewinn haben sich seitdem wie folgt entwickelt:

Jahr Umsatz Gewinn/Verlust
2010 187,9 Mio. € + 2,6 Mio. €
2011 224,2 Mio. € + 4,8 Mio. €
2012 189,8 Mio. € –  8,9 Mio. €
2013 206,8 Mio. € + 0,5 Mio. €
2014 215,3 Mio. € + 4,2 Mio. €
2015 264,5 Mio. € + 22,5 Mio. €
2016 265,1 Mio. € + 29,1 Mio. €
2017 240,1 Mio. € –  12,2 Mio. €
2018 350,4 Mio. € + 40,5 Mio. €
2019 275,0 Mio. € –  26,1 Mio. €

Mit diesen Zahlen gehört der FC Schalke 04 nach wie vor zu den umsatzstärksten Clubs in Europa und findet sich regelmäßig in den TOP 15 der Money League wieder. Ein hoher Umsatz alleine garantiert jedoch noch keinen wirtschaftlichen Erfolg. Hauptgründe für den Rückgang sind die stark gesunkenen Erträge aus der Vermarktung der medialen Verwertungsrechte aufgrund des Verpassens des europäischen Geschäfts sowie deutlich geringere Transfereinnahmen, da 2019 kein aus der Knappenschmiede stammender Spieler „versilbert“ wurde. 2018 hatte Thilo Kehrers Wechsel nach Paris noch 37 Mio. Euro in die Schalker Kassen gespült. Die Sponsoringerlöse gingen aufgrund ausbleibender Erfolgsprämien ebenfalls leicht zurück, die Einnahmen aus dem Spielbetrieb, Catering und Merchandising blieben stabil.

Was verrät die Bilanz noch Wissenswertes?

„Steine statt Beine“: Das Berger Feld lässt grüßen

Die Spielerwerte sind deutlich um 24 Mio. € gesunken, gleichzeitig stieg der Bilanzansatz für Sachanlagen – trotz hoher Abschreibungen.  Ursächlich dafür ist der Posten “Geleistete Anzahlungen und Anlagen im Bau“ für die Bauphase Berger Feld II. Eine Bewertung fällt hier zwiespältig aus: Einerseits schafft Schalke neue Werte, andererseits schießen Steine eher selten Tore…

Personalkosten nach wie vor hoch

Leicht gesunken, aber mit 123,6 Mio. € immer noch sehr hoch sind die Gesamtpersonalkosten. Nicht ausgewiesen ist dabei leider wie in den Vorjahren der genaue Anteil des Profikaders und bei diesem die Unterscheidung in Grundgehälter und Erfolgsprämien. Aber auch ohne diese ist festzuhalten, dass Personalaufwand in dieser Höhe ohne Einnahmen aus dem europäischen Geschäft oder bei unvorhergesehenen Ereignissen ein finanzieller „Klotz am Bein“ ist.

Jochen Schneider ist ein Schnäppchen

Um fast die Hälfte, nämlich von 5,18 Mio. Euro auf 2,77 Mio. Euro gesunken sind hingegen die Bezüge des Vorstands. Da eher nicht zu vermuten ist, dass sich Peter Peters und Alexander Jobst mitten in laufenden Verträgen drastisch finanziell verschlechtert haben, ist die Hauptursache wohl beim „Vorstand Sport“ zu suchen: Offenbar arbeitet Jochen Schneider deutlich günstiger als Vorgänger Christian Heidel, selbst wenn dieser wie seine Vorstandskollegen für das erfolgreiche Abschneiden mit der Vizemeisterschaft 2018 eine satte Erfolgsprämie kassiert hat…

Verbindlichkeiten wieder unter 200 Millionen

Die Gesamtverbindlichkeiten sind von 219,6 auf 198 Mio. Euro, die Finanzverbindlichkeiten auf 118,7 Mio. Euro gesunken. Mit 79,7 Mio. Euro nach wie vor sehr hoch sind die „sonstigen Verbindlichkeiten“, von denen zudem 45,3 Mio. Euro eine Restlaufzeit von weniger als einem Jahr haben, also in 2020 fällig werden. 2021 steht dann die Rückzahlung der Fan-Anleihen von 15,9 Mio. Euro ins Haus.  

Sorgenfalten bei Finanzvorstand Peter Peters (Foto: Hein-Reipen)

Liquidität ist schwach – Corona-Krise ist ein Risiko für Schalke

Leider sind nicht nur die Verbindlichkeiten, sondern auch die Forderungen und Bankguthaben deutlich gesunken, was angesichts der kurzfristig fällig werdenden Verbindlichkeiten nichts Gutes für die Liquidität verheißt.

Hier liegt auch die Ursache für die drastischen Warnungen von Alexander Jobst („Es geht um die Existenz des Clubs“) und Peter Peters („Zeit der höchsten Ungewissheit: Schalke braucht das Geld der Geisterspiele“): Mit jedem ausgefallenen Heimspiel – Schalke hätte bis zum Saisonende noch Augsburg, Bremen, Leverkusen und Wolfsburg zu Gast gehabt –  fehlen rund 2 Mio. Euro an Zuschauer- und Catering-Einnahmen in der Kasse. Geld, das Schalke dringend benötigt, um seine Kosten und Verbindlichkeiten zu bedienen.

Geisterspiele sind ein Muss für Schalke, sonst wird es existenzbedrohend

Noch mehr schmerzen die entgangenen Fernseheinnahmen – die Rede ist von einer Rate von rund 26 Mio. Euro für S 04 -, wenn die Spiele auch nicht als Geisterspiele durchgeführt werden. Peter Peters plädiert deshalb vehement dafür, den Spielbetrieb so bald wie möglich ohne Zuschauer wieder aufzunehmen: „Wenn du das, was du machst, nicht mehr machen kannst, ist es existenzbedrohend!“, sagte er bei der Vorstellung des Geschäftsberichts 2019. Platt ausgedrückt: Ein Fußballverein, der nicht Fußballspielen darf, hat ein Problem.

Die Fans, denen es in der Seele schmerzen würde, ihre Königsblauen nicht unterstützen zu können, hören das nicht gern – aber Schalke würde nach der Finanzplanung selbst ohne finanzielle Schäden durch Corona in 2020 einen Verlust „im niedrigen zweistelligen Millionen Euro Bereich“ einfahren, falls sich die Mannschaft mit Platz 8 nicht für einen europäischen Wettbewerb qualifiziert und kein Leistungsträger lukrativ verkauft wird.

Wenn jetzt weitere Millionen an Fernsehgeldern wegbrechen, kann sich jeder an fünf Fingern ausrechnen, dass Schalke mindestens zu Verkäufen von Hoffnungsträgern wie Ozan Kabak oder Amine Harit gezwungen wäre, um zahlungsfähig zu bleiben. Sollten diese nicht genug Geld einbringen, weil der gesamte Transfermarkt in Folge der noch nicht absehbaren Corona-Krise am Boden liegt, könnte es sehr, sehr bitter werden.

Wo kann gespart werden?

Bereits jetzt überlegen die Verantwortlichen fieberhaft, wo Gelder eingespart werden können. Die beabsichtigte Stärkung der Knappenschmiede liegt auf Eis, zudem laufen nach Informationen der BILD-Zeitung interne Verhandlungen über Teil-Gehaltsverzichte nach dem Vorbild der Gladbacher Profis. Auch ein Baustopp auf dem Berger Feld ist kein Tabuthema mehr.  Clemens Tönnies, auf dessen enormes Vermögen viele Schalker für den „Ernstfall“ setzen, hat sich bislang nicht geäußert, ob er als Kreditgeber oder Bürge einspringen würde.

Zur Zeit kann niemand seriös abschätzen, wie lange das Corona-Virus Europa und den deutschen Fußball noch im Griff haben wird. Angesichts der auf dem Spiel stehenden Menschenleben gibt es definitiv Wichtigeres als Fußballspiele – doch danach wird Schalke jeden Cent und vermutlich auch die Unterstützung der Fans und Mitglieder brauchen, um finanziell die Kurve zu bekommen. Von enormer Wichtigkeit ist auch eine Qualifikation zumindest für die Europaleague.